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Optimale Lackkoagulierung

Um Oberflächen mit Lack zu beschichten ist das Spritzlackieren mit Druckluft ein gängiges Verfahren. Der dabei entstehende Farbnebel muss gezielt abgesaugt und aus dem Luftstrom ausgewaschen werden. Damit das funktioniert wird koaguliert. Wie das gut funktionieren kann wird hier beschrieben.

Wer kennt das nicht: Sie gehen durch Ihren Betrieb und der Blick schweift auf die Palette der Chemikalien neben der Spritzkabine. Koaguliermittel für Lösemittelacke, Spalter für Wasserlacke, Natronlauge zum Neutralisieren, Flock- und Flockungshilfsmittel, Aktivatoren, Entschäumer und Biozide, wofür brauche ich das alles? Und was das immer kostet! Und trotzdem funktioniert nichts richtig. Geht das nicht auch einfacher?

Es geht! Und häufig sogar ohne große Investitionen. Denn durch neue Koagulierungsmittel konnten in jüngster Vergangenheit wesentliche Fortschritte bei der Koagulierung von Wasser- und Lösemittellacken erreicht werden. Bei vielen Anwendern wurden dadurch die Kosten erheblich reduziert.

Größere Lackmengen werden üblicherweise in wasserberieselten Spritzwänden beziehungsweise Spritzkabinen verarbeitet. Die Aufgabe dieser Spritzwände ist es, Lackoverspray mit einem Luftstrom zu erfassen, ihn in die Wasserphase zu führen und aus dieser wieder abzuscheiden. Hierzu wird dem Wasser üblicherweise ein als Koaguliermittel bezeichneter Hilfsstoff zugefügt, damit das Abscheidesystem nicht durch Verkleben der Rohre und Pumpen gestört wird.
Dieser Chemikalieneinsatz sollte dann allerdings so kostengünstig wie möglich geschehen. Dazu gehört neben einer richtig genutzten Verfahrenstechnik auch das richtige Koaguliermittel für den jeweiligen Anwendungsfall. Nachfolgend soll an einigen Beispielen aufgezeigt werden, welche Einsparungen durch die Neu- und Weiterentwicklung der Koaguliermittel für die verschiedenen Anwender möglich sind.

Was heißt Koagulierung?

Der Duden definiert die Koagulierung als das künstlich herbeigeführte Ausflocken von kleinen und kleinsten Teilchen durch Maßnahmen, die eine Teilchenvergrößerung bewirken. In der Praxis versteht man unter Koagulierung das Entkleben und Ausflocken von Lackoverspray aus dem Umlaufwasser von Spritzkabinen. Dabei meint man im allgemeinen den Overspray von lösemittelhaltigen Lacken.
Denn bei der Herstellung von wasserverdünnbaren Farben erreicht man die Vermischung der Farbe mit Wasser durch Zugabe von Tensiden und Emulgatoren. Soll die Farbe später wieder aus dem Wasser abgetrennt werden, spricht zum besseren Verständnis von (Emulsions-) Spaltung und Flockung statt Koagulierung.

Bei der Verarbeitung von Lösemittelacken wurde in den Anfangsjahren der Nass-Spritzkabinen häufig durch Zugabe von Natronlauge oder auch Altöl in das Kabinenwasser eine Entklebung durch Verseifung beziehungsweise Oxidation erreicht. Allerdings war das Umlaufwasser dann recht aggressiv und musste in kurzen Zeitabständen entsorgt werden.

Später wurde mit bentonithaltigen Produkten koaguliert, die zusätzlichen Abfall produzierten. Diese Produkte alleine konnten aber ihre Aufgabe oft nur mangelhaft erfüllen. Daher wurde oftmals zusätzlich mit Aktivatoren oder Flockungshilfsmitteln gearbeitet. Der Aufwand zur Dosierung, Steuerung und Regelung ist entsprechend hoch.
Gelegentlich findet man heute auch noch Koaguliermittel, die auf Dispersions- oder Wachsbasis aufgebaut sind. Dies führt allerdings zu einer extremen Belastung des Kabinenwassers durch organische Stoffe, die sich nur schwer aus dem Wasser entfernen lassen. Bei einem Kabinenwasserwechsel kann das Wasser dann nicht mehr in den Kanal abgelassen werden, sondern muss teuer entsorgt werden.

Moderne Koagulierungssysteme ...

...von heute beruhen auf rein physikalischen Vorgängen und sind dadurch bei sachgerechter Anwendung prinzipiell sehr umweltfreundlich. Der Entklebungsprozess erfolgt durch Anlagern ( Adsorption ) von speziellen oberflächenaktiven Substanzen. Diese Netzmittel bestehen aus Molekühlen, mit einem wasserfreundlichen (hydrophilen) und wasserfeindlichen (hydrophoben) Ende. Sie besitzen Grenzflächen mit polarem Gefälle (Wasser ist polar, Lack unpolar). Da keine chemische Reaktion stattfindet, entstehen keine zusätzlichen Abfallprodukte im Wasser. Auch eine Aufsalzung des Wassers findet nicht mehr statt. Die Standzeiten werden erheblich verlängert.

Bei der Verarbeitung von Wasserlacken wird der Overspray an der Wasserwand quasi in sein Lösungsmittel (Wasser) eingemischt. Daher ergibt sich ein wichtiger Unterschied zum Lösemittellack. Denn wenn beim Lösemittelack das Koaguliermittel vor dem Overspray im Wasser sein muss, kann der Wasserlack erst einmal ins Kabinenwasser eingemischt und später an anderer Stelle abgespalten und ausgetragen werden.

Obwohl der Wasserlack Pumpen und Rohre in der Spritzkabine nicht verklebt, kann er natürlich nicht grenzenlos im Kabinenwasser aufkonzentriert werden.
Zur Spaltung von Wasserlacken wurde in der Vergangenheit bei Nass-Spritzkabinen die Kabinenwasserreinigung entweder mit säurehaltigen Flüssigspaltern innerhalb der Kabine oder mit pulverförmigen Reaktionstrennmitteln in einem Nebenkreislauf der Kabine durchgeführt. Die sauren Flüssigspalter hatten den Nachteil, dass sie selbst und durch notwendige Neutralisation mit Natronlauge das Kabinenwasser stark aufsalzen, und damit die Kabinenbleche angreifen und die Standzeit des Umlaufwassers begrenzen.

Moderne Flüssigspalter ...

...von heute basieren auf schwach saueren beziehungsweise pH neutralen Polymermischungen, die geringe bis keine Salze mehr im Kabinenwasser hinterlassen. Mit 1 kg Flüssigspalter neuester Generation können bis zu 50 kg Wasserlack aus dem Kabinenwasser ausgeflockt werden.
Flüssige Spalt- und Flockmittel kommen in der Regel an Kabinen mit hohem Lackverbrauch und kontinuierlichem Lackschlammaustrag zum Einsatz. Die Dosierung erfolgt automatisch über entsprechende Dosieranlagen direkt in die Kabine. Durch Zugabe eines Flockungshilfsmittels kann die Flockengröße und die Flockenladung so optimiert werden, dass der Lackschlammaustrag (meistens mit Flotationsanlage) störungsfrei funktioniert und der Flockschlamm in der nachfolgenden Entwässerung optimal entwässert.

Die pulverförmigen Reaktionstrennmittel zeichneten sich in der Vergangenheit durch schlechte Wirkungsgrade aus. So konnte man zum Beispiel Anfang der 90er Jahre mit 1 kg Reaktionstrennmittel gerade mal 3 -5 kg Wasserlack aus dem Wasser abspalten.

Moderne Reaktionstrennmittel ...

...von heute hingegen können mit nur 1 kg Zudosierung bis zu 30 kg Farbe aus dem Kabinenwasser ausflocken. Produkte neuester Generation arbeiteten zudem salzarm- und sulfatfrei, wodurch die Standzeiten des Kabinenwassers verlängert und Geruchsbelästigungen durch unerwünschte Inhaltsstoffe vermieden werden.
Pulverförmige Produkte werden heute überwiegend für die Aufbereitung von Spülwässern aus Lackrückgewinnungsanlagen, Applikationsgeräten und Flutanlagen eingesetzt. Der besondere Vorteil dabei liegt in der einfachen und sicheren Anwendung der Produkte. Spalt-, Flock- und Neutralisationsmittel sind in einem, für den Anwender ungefährlichen Produkt kombiniert.

Kombipräparate

Neben den flüssigen und pulverförmigen Produkten zur Wasserlackspaltung gibt es noch eine dritte Möglichkeit. Eine neue Generation pastöser Koaguliermittel für Lösemittellacke mit besonders hohem Adsorptionsvermögen eignet sich ebenfalls sehr gut zur Behandlung von wasserlöslichen Lack- und Beizsystemen und ermöglicht deshalb sogar ein Verarbeiten von sowohl lösemittehaltigen als auch wasserverdünnbarer Lacksysteme in einer Kabine. Wo ehemals 4 bis 5 Produkte nötig waren, reicht heute ein einziges! Einfacheres Handling und weniger Dosieranlagen sind daher ein deutlicher Vorteil dieser Produkte.

Biozide, Entschäumer

Häufig findet man im Bereich der Spritzkabinen chemische Produkte, die mit der eigentlichen Koagulierung nichts zu tun haben. Diese sogenannten Wasserpflegemittel sind nicht nur teuer, sondern oftmals auch überflüssig. Aktivatoren und Flockungsmittel sind in einem modernen Koaguliermittel bereits enthalten. Biozide zur Geruchsvermeidung sind häufig ein Zeichen für eine nicht ordnungsgemäß arbeitende Spritzkabine. Hier empfiehlt sich in jedem Fall einmal eine Überprüfung der Verfahrenstechnik durchzuführen, um den Verbrauch an Chemikalien auf ein Minimum zu reduzieren.

Die Schlammentwässerung

Ein wichtiger Schritt zur Kostenreduzierung im Lackierbetrieb ist die Entwässerung des koagulierten Lackschlamms um die zu entsorgende Restmenge möglichst gering zu halten.
Wird koagulierter Lackschlamm aus der Spritzkabine entnommen, manuell oder automatisch, so beinhaltet er zwangsläufig eine große Menge Wasser. Wird der Lackschlamm in einem Filterkorb gesammelt, so muss das Wasser gut ablaufen können, damit die Filterbehälter nicht zu oft gewechselt werden müssen. Neben der Qualität der Filtertücher beziehungsweise Filtersäcke spielt die Einstellung der Flockenladung durch das Koaguliermittel dabei eine wichtige Rolle.
Denn häufig sieht man in der Praxis “Entwässerungsbehälter”, die ihren Namen nicht verdienen. Entweder ist der Lackschlamm nicht oder nur unzureichend entklebt und verschmiert die Filterkörbe. Oder es sind keine oder zu wenig Löcher zum Ablauf des Wassers vorgesehen. Auch gibt es Filterkörbe, die im vollen Zustand kein Wasser mehr ablaufen lassen.

All dies sind Fehler die einerseits erhebliche Kosten verursachen, die sich aber andererseits sehr einfach abstellen lassen.

Abschließend sollte der vorentwässerte Lackschlamm nach Möglichkeit durch den Einsatz von Druckpressen, sei es die pneumatische Lackschlammpresse für lösemittelhaltige Koagulate oder eine Kammerfilterpresse für Wasserlackschlämme, weiter im Volumen reduziert werden.
Beide Systeme amortisieren sich innerhalb kürzester Zeit, da sie die zu entsorgende Restmenge noch einmal um 50 bis 70% reduzieren können. Außerdem kann gerade bei Wasserlackresten durch das Erreichen bestimmter Trocknungsgrade ein Wechsel der Abfallschlüsselnummer in eine günstigere Kategorie möglich werden.

Beispiele aus der Praxis

Diese Beispiele zeigen, dass sich die Umstellung auf eine moderne Koagulierung fast immer auszahlt. Wird eine solche Maßnahme noch durch verfahrenstechnische Änderungen begleitet, so zeigt sich am Ergebnis, dass die Nass-Spritzwand und die Lackkoagulierung nicht immer nur teuer und schlecht sein muss, sondern durchaus ein kalkulierbares Element in der Oberflächentechnik darstellen kann.
Denn obwohl ein Produkt durch die farbliche Oberflächenbeschichtung oftmals erst seinen endgültigen Charakter beziehungsweise das firmenspezifische Aussehen erhält, genießt die Lackiererei in vielen Produktionsbetrieben offensichtlich keine hohe Priorität bei der technischen Ausrüstung.
Kaum eine Buchhaltung arbeitet heute noch ohne leistungsfähige Computer. Alle 3 bis 5 Jahre werden die neuesten Automodelle für die Firmenflotte angeschafft. Aber in der Oberflächentechnik wird trotz Änderung der Beschichtungssysteme (wasserverdünnbare statt lösemittelhaltige Lacke, verbesserte Lackrezepturen und so weiter ) mit Spritzkabinen gearbeitet, die häufig bereits 10 bis 20 Jahre alt sind. Genauso alt sind oftmals die Lackschlammaustrag- und Koagulierungssysteme. Dass diese Anlagen nicht mehr kostenoptimal arbeiten können, scheinen viele Betreiber zu übersehen.

Tatsache ist doch, dass etwa alle 2 bis 3 Jahre eine neue Generation Koaguliermittel entwickelt wird, die sich durch höhere Effizienz, weniger wasserbelastende Schadstoffe und bessere Einstellung in der Gesamtwirkung auszeichnen. Dabei kommen durch bessere Produktionstechniken bei fast konstanten Preisen immer höher konzentrierte Produkte zum Einsatz. Der Gewinner hierbei ist eindeutig der Anwender.
Beispiele aus der Praxis
Branche Lack Verbrauch alte Koagulierung neue Koagulierung Einsparung Sonstiges
Maschinenbau 2 K Grund
2 K PUR Struktur
ca. 300 - 500 kg/Tag Koaguliermittel
Flockhilfsmittel
Aktivator
1 pastöses Koaguliermittel 30% Kabinenreinigung von wöchentlich auf monatlich
Möbel UV Hydro- Klarlack ca. 200 kg/Tag pulverförmiges RTM mit Sedimentations-Austraganlage Flüssigspalter mit Flotationsaustrag 30% 90% weniger Störungen
Fensterbau Wasserverd. Flutlacke ca. 3 m³/Tag Spülwasser Spaltsäure
Natronlauge
Flockhilfsmittel
Destillation
1 salzfreies Pulverprodukt 20% weniger Arbeit, keine Gefahrstoffe, keine Destillation
Automobil-Zulieferer 2 K Wasserlack ca. 200 kg/Tag Säurespalter
Natronlauge
Flockhilfsmittel
Entschäumer
1 organischer Spalter, pH neutral
silikonfreier Entschäumer
50% 2 statt 4 Dosierstationen, kein Gefahrstoff, bessere Lackschlammentwässerung
Automobil-Zulieferer Polyesterlack
WV Beizen
ca. 1.200 kg/Tag Koaguliermittel
Flüssigspalter
Flockhilfsmittel
1 Adsorbtions-Koaguliermittel 30% Standzeit-Verlängerung des Kabinenwassers von 2 Monate auf unendlich
Automobil-Zulieferer 1K + 2K Lösemittellack
ca. 5% Wasserlack
ca. 800 kg/Tag bentonithaltige Koaguliermittel
Flüssigspalter
Flockhilfsmittel
1 pastöses Koaguliermittel 60% Kabinenreinigung von wöchentlich auf monatlich
Ladenbau versch. Lösemittel- und Wasserlacke ca. 50 kg/Tag bentonithaltige Koaguliermittel
Flüssigspalter
Flockhilfsmittel
1 pastöses Koaguliermittel 50% weniger Arbeit bessere Funktion
Der Autor:
Wolfgang Ludewig staatl.gepr.Techniker EFA Chemie GmbH
Tel. (02161) 65 05 38 Fax (02161) 65 06 37 eMail: ludewig@efa-chemie.de

Für spezielle Probleme können individuelle Applikationen entwickelt werden.